Frühmorgens, es ist noch dunkel. Ich erwache und spüre nach: genug geschlafen? Die Gedankenmaschine läuft an. Kein Weg zurück in die Traumwelt. Ich stehe auf, bemüht bedacht. Schlaftrunken steife Glieder strecken und beugen. Vereinzelte Dielen knarren, eine Treppenstufe knackt auf meinem Weg nach unten. Doch Glück: Aus den Schlafzimmern nur regelmäßiges Atmen. Jetzt ist meine Zeit.
Sanft schließe ich die Tür zur neuen Küche, lasse den offenen Wohnbereich mit seiner Hellhörigkeit hinter mir. In der alten Küche ist es kalt, ich gehe auf Zehenspitzen, stehe auf den Außenkanten meiner Fußsohlen. Ich fülle den Schweizer Wasserkocher, Relikt aus fernen Zeiten, als ich über niemandes Schlaf wachen musste, und schalte ihn an, sein blaues Licht erhellt den Raum wie ein Raumschiff das All. Ich muss ein Ohr für ihn haben, sein Deckel ist defekt, die Abschaltautomatik funktioniert nicht mehr.
Er rauscht, er brodelt, mit einem Klicken schalte ich ihn ab. Ich fülle Kaffeepulver in die kleine Stempelkanne, dosiert nach Augenmaß, und gieße heißes Wasser hinein, langsam kreisend, bis ich meine, dass es reicht. Kaffeemehl wirbelt im Wasser aufwärts, setzt sich an der Oberfläche ab. Zwei Finger breit. Bloß keine dünne Plörre!
Luftblasen steigen auf. Das Kaffeepulver ist gleichmäßig benetzt. Ich lasse es kurz ziehen, während ich mich warm anziehe, Strickjacke, Wollsocken, Halstuch. Dann drücke ich den Stempel runter. Am Widerstand merke ich, es ist gut.
Zurück in der offenen Küche nehme ich einen Becher aus dem Regal in der Nische des zugemauerten Durchgangs, hole die Sahne aus dem Kühlschrank, das Schmatzen der magnetischen Tür wie immer zu laut in meinen Ohren, doch Glück: im Haus bleibt alles still.
Dampf steigt aus der Tasse, ich setze mich an den Küchentisch, öffne das Macbook, öffne meinen Text, gehe direkt in Full Screen, damit nichts mich ablenken kann. Außer das heiße Getränk in meiner Hand. Ich koste den ersten Schluck des Tages, er schmeckt. Und dann lege ich los. 50 Wörter, 300, 750, so viel die Zeit hergibt. Ich schreibe, bis die hellen kleinen Stimmen ertönen, oben aus ihren Betten, und sich mein Tag in dem der anderen verliert.
Magie meines Morgens, ein guter Tag, der so beginnt.